top of page
Systemischer Coach Björn Krause aus Hamburg.jpg

Zeit für einen Mutausbruch. 

Hast du dich auch schon öfter gefragt, was es mit dieser Männlichkeit auf sich hat? Klar, genetisch benötigt du in deinen Zellen ein X- und Y-Chromosom. Dann brauchst du einen Schwanz (möglichst lang) und Muskeln (möglichst dick, zumindest definiert). Du brauchst eine tiefe Stimme, markante Gesichtszüge und mehr Haare auf der Brust als auf dem Rücken und in den Ohren. Dazu Kraft, Loyalität und Tapferkeit. Und auf jeden Fall Erfolg. Erfolg im Beruf, Erfolg im Sport. Erfolg in der Liebe. Was es nicht braucht: Schwäche. Schwäche darf nicht sein. Alles Schwachsinn! Heute weiß ich das.

Nichts, davon bin ich überzeugt, ist männlicher als die Angst, unmännlich gefunden zu werden.

Die größte Scham empfand ich immer dann, wenn ich glaubte, meine Männlichkeit sei in Gefahr. Als kleiner Junge fand ich es toll, mich mit meinem Vater zu raufen, ihm so fest ich konnte auf seinen Oberarm zu hauen und es auszuhalten, wenn er dasselbe bei mir tat – natürlich nicht mit voller Kraft, denn er war der stärkste Papa der Welt. Aber ich erinnere mich an kein Kuscheln, an keinen Kuss oder daran, ihn sagen zu hören, dass er mich liebt. Obwohl er es tut, das weiß ich. Solange ich ihn kenne, hat mein Vater nie geweint oder sonst eine als „weich“ zu bezeichnende Gefühlsregung gezeigt. Das war okay.

     Aber mit mir schien etwas nicht zu stimmen. Ich war ein Sensibelchen, nah am Wasser gebaut. Die anderen Jungs nannten mich Heulsuse. „Bist du kein Junge?“, fragten sie. Oder schlimmer: „Bist du ein Mädchen?“ Ich fand Mädchen toll, eines sein wollte ich aber nicht. Ich riss mich zusammen und arbeitete mich in der Rangordnung nach oben, indem ich wie viele andere Jungs war: laut und grob. Die starken erfuhren Anerkennung, und die wollte ich auch. Ich plusterte mich auf, und wenn es nicht anders möglich war, ging ich in Konfrontationen – immer mit dieser Scheißangst, es könnte zu einer Prügelei kommen.

 

Eine einzige Schlägerei konnte alles verändern. Und so war es dann auch. Eine harmlose Rangelei mit einem Nachbarsjungen eskalierte, weil die anderen uns aufstachelten und sich keiner die Blöße geben wollte, nachzugeben. Ich nahm ihn in den Schwitzkasten, wie das Jungs so machen. Dann schlug er mir seine Faust ins Gesicht. Ich war geschockt. Schlimmer aber war, dass ich nicht zurückschlug. Ich tat es nicht, weil ich Angst hatte, ihn zu verletzen. Er hingegen war in einem Rausch. Die anderen mussten ihn von mir runterziehen. Als ich nach Hause kam, sah mein Vater die aufgeplatzte Lippe, die blutende Nase, die roten Augen – und schwieg. Damals war ich ihm dankbar dafür, mich nicht in die Verlegenheit gebracht zu haben, mich bei ihm auszuheulen. 

KRITIK KONNTE ICH NUR
SCHWER ERTRAGEN, SCH
ULD WAREN OFT DIE ANDEREn.

Männlichkeit wurde für mich immer mehr zu einem Schauspiel, einer Performance, um zu untermauern, was als vermeintlich normal gilt, eine fixe Idee, ein Klischee. Als Teenager trank ich Bier, das mir nicht schmeckte, klaute Zigaretten, die ich nicht rauchte, erzählte von Sex, den ich nicht hatte. Mit 18 war ich kein Womanizer, ich war Jungfrau. Ich dachte, funktionieren zu müssen und nur dann meinen Platz in der Welt zu finden, wenn ich erfüllte, was von mir erwartet wurde. Was ich schließlich auch selbst von mir erwartete.

     Mit 19 fühlte ich mich allein, obwohl ich eine Freundin hatte. Tagsüber spielte ich den Clown, brachte andere zum Lachen, nur ich selbst wurde immer trauriger. Es kroch langsam in mich hinein, unbemerkt. Jeder Tag wurde anstrengender als der zuvor, ständig war ich müde, lethargisch. Ich stand wie vor einer Milchglasscheibe, hinter der sich das normale Leben abzuspielen schien, an dem ich immer weniger teilnahm. Ich ging kaum mehr raus, schwänzte die Schule. Meinen Freunden vertraute ich mich nicht an. Ich hätte auch gar nicht gewusst, wie.

    Mit Mitte 20 stemmte ich Gewichte wie ein Gabelstapler, pumpte meine Muskeln auf, ich ließ mich tätowieren, einen Vollbart wachsen und begann zu boxen. Manchmal kassierte ich im Ring Treffer, nach denen ich am liebsten direkt in die Umkleide gegangen wäre. Das Handtuch zu werfen war jedoch keine Option. Zu Hause tat es weh, körperlich, das war in Ordnung. Mehr Schlagkraft hatten meine Worte. Wann immer ich in eine fremde Umgebung kam, lautete mein Motto: Angriff ist die beste Verteidigung – im Job, mit Freunden, in Beziehungen. Kritik konnte ich nur schwer ertragen, schuld waren oft die anderen.

    Mit Ende 30 ging meine Ehe in die Brüche und ich wurde zum Trennungsvater. Ein Jahr später verlor ich meinen Job. Anfang 40 konnte ich dann nicht mehr, ich bekam Depressionen und ging in eine Klinik.

   

Die ersten Dominosteine fielen bei meinem damaligen Coach, der mich auf den richtigen Weg brachte, und vor allem auch der Hoffman-Prozess, ein Transformations- und Bewusstseinstraining, das ich buchte, weil ich mich festgefahren fühlte und authentischer Leben wollte. Dort wurde mir ein Spiegel vorgehalten. Plötzlich fühlte ich meine Wut, unfassbare Wut, meine Traurigkeit und meine Verletzlichkeit.

     Lange Zeit habe ich meine Verwundbarkeit nicht gezeigt, im Glauben daran, dass Empfindsamkeit, das Weiche, das Sensible für echte Männlichkeit exotisch wäre wie eine dritte Brustwarze – etwas, das da nicht hingehört. Mit der Zeit habe ich gelernt, die richtigen Worte zu finden, um auszudrücken, was in mir vorgeht.

     Was dann passierte, war, dass das Pendel stark in die andere Richtung ausschlug und ich eine Zeit lang die Qualitäten ignorierte – und auf eine Art sogar ablehnte – die einen Mann nunmal auch ausmachen: Kraft, Dominanz, vielleicht eine gewisse Unverwüstlichkeit.

    Heute ist Männlichkeit für mich vielseitig. Wie ein Buffet, von dem sich jeder nehmen darf, was er probieren möchte. Mag sein, dass das nicht allen schmeckt, aber den Vorstellungen anderer gerecht werden zu wollen ist, als würdest du versuchen eine Bowlingkugel mit einem Golfschläger wegzuhauen.

Ich weiß meine Sensibilität inzwischen zu schätzen, mein Mitgefühl, meine Empathie und meine Fähigkeit, die eigene Verletzlichkeit zu sehen, anzuerkennen und auch zu zeigen. Ebenso wie meine Kraft, meinen Mut und die Fähigkeit, das Drama an die Tür hämmern zu lassen, während ich mich in aller Ruhe auf die Lösung von Problemen fokussiere. Heute geht es für mich nicht mehr ausschließlich ums Mannsein, es geht ums Menschsein – um das Menschsein als Mann. Es geht darum, herauszufinden, wer ich bin. Wer dieser Frage nachgeht, erfährt zwangsläufig auch, was für ein Mann er ist. Und lebt ein authentischeres und freieres Leben. Also: Wer bist du? Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen!

Lass uns reden

Schreib mir etwas

© 2023 by Björn Krause. Powered and secured by Wix

bottom of page